Einleitung
Kürzlich fand der zweite Nordsee-Gipfel in Ostende , Belgien statt, ein Treffen zwischen den Nordsee-Anrainerstaaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen sowie dem Vereinigten Königreich. Das Ziel des Nordsee-Gipfels war, Maßnahmen zu definieren, um die Nutzung der Windenergie in der Nordsee zu verdoppeln. Mit Unterzeichnung der Abschlusserklärung von Ostende wurden nun notwendige Schritte eingeleitet, um die Offshore-Windenergie in der Nordsee bis 2030 zu vervielfachen und auf mindestens 120 GW zu steigern. Im vergangenen Jahr lag der Wert der Offshore-Windenergie der neun Staaten nach Angaben der belgischen Regierung bei rund 30 GW (1). Wie in der Abbildung 1 abgebildet, soll langfristig der Ausbau bis 2050 sogar auf mehr als 300 GW gesteigert werden.
Gelingt dieses Vorhaben, kann eine nie dagewesene Resilienz für den Kontinent Europa erreicht werden. Gleichzeitig würden sich auch die Lieferabhängigkeiten fossiler Brennstoffe aus autokratischen regierten Staaten stark reduzieren. So könnte die Nordsee-Region zum grünsten Kraftwerk der Welt werden und rund 300 Mio. Haushalte klimaneutral mit Strom versorgen (2).
Abbildung 1: Die Meilensteine der Deklaration in installierter Leistung (erstellt nach (3))
Die Umsetzung der auf dem Nordsee-Gipfel formulierten Maßnahmen erfordert kontinuierliche Investitionen in die Energieinfrastruktur. Dieser Artikel wird sich mit den Zielen und der Realisierung des Vorhabens beschäftigen, denn darüber hinaus sind viele weitere Investitionen und Maßnahmen nötig, wie die Ausweitung bestehender Lieferketten oder die Modernisierung der Hafeninfrastruktur.
Ambitionierte Ziele im Fokus
Der grüne Transformationsprozess wird durch die wegweisende Erklärung des Nordsee-Gipfels weiter beschleunigt. Das Ziel, bis 2050 eine dekarbonisierte Energieversorgung zu erreichen, rückt so in greifbare Nähe. In der Erklärung von Ostende werden zehn Maßnahmen definiert, die die Zusammenarbeit und Koordination zwischen den beteiligten Ländern und der Europäischen Kommission stärken sollen. Es sind gewaltige technische Herausforderungen zu bewältigen, damit die Nutzung der Offshore-Windenergie in der Nordsee innerhalb weniger Jahre stark beschleunigt werden kann. Zu den zentralen Maßnahmen der Erklärung gehören beispielsweise die Förderung von Innovations- und Forschungsaktivitäten, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft, die Verbesserung der Infrastruktur, wie beispielsweise Stromübertragungsleitungen und Häfen, sowie allgemein eine Steigerung der Investitionen in die Offshore-Windenergie (3). In der Abbildung 2 sind die individuellen Ziele der neun Anrainerstaaten dargestellt.
Abbildung 2: Die individuellen Ziele der Anrainerstaaten(erstellt nach (3))
Dieses klare politische Bekenntnis stellt ein wichtiges Signal an die Industrie dar und ist ein Meilenstein in der Zusammenarbeit zwischen den Anrainerstaaten und der Europäischen Kommission. Die Offshore-Windindustrie hat sich in den letzten Jahren stark professionalisiert, was auch zu Kostenreduktionen geführt hat. In Deutschland und anderen europäischen Ländern werden aktuell viele Projekte geplant und in Kombination mit langfristigen Stromlieferverträgen (PPA) mit der Industrie, deutet vieles darauf hin, dass der subventionsfreie Offshore-Ausbau sich endgültig durchsetzen kann (4). Für den europäischen Kampf gegen die Klimakrise stellen die beschlossenen Maßnahmen einen großen Meilenstein dar.
Die Realisierung
Die Planung und Umsetzung von Offshore-Windprojekten unterliegen vielen Vorschriften und notwendigen Genehmigungen. Es braucht ein komplexes Ausbalancieren zwischen den Interessen von Umweltschutz für biologische Vielfalt und nachhaltigen Meeresökosystemen und den Interessen der Betreiber hinsichtlich einer wirtschaftlichen Projektumsetzung und Betriebsphase. Um den grünen Transformationsprozess zu beschleunigen, wird den zuständigen Institutionen empfohlen alle Hindernisse zu beseitigen die sich aus Genehmigungsverfahren ergeben (3).
Der Aufwand der Projektenwicklung und die Kosten der Realisierung hängen dabei von vielen Faktoren ab. Die bedeutendsten sind die Wassertiefe, die Entfernung zum Festland und die Verfügbarkeit der Netzinfrastruktur sowie Erreichbarkeit für die spätere Betriebsphase. Die Technologien entwickeln sich ständig weiter, um Lösungen für diese Herausforderungen zu haben. Gleichzeitig werden die Windenergieanlagen (WEA) immer größer und leistungsfähiger. Die Realisierung von Offshore-Windprojekten ist deutlich komplexer und damit auch langwieriger als die von Projekten an Land. Durch die stark schwankenden Rohstoffpreise, welche einen großen Einfluss auf die Kostenkalkulationen der Projekte haben, ergeben sich weitere Risiken für die Entwickler (4).
Eine Entscheidung des Nordsee-Gipfels ist, dass die Staaten gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um eine widerstandsfähige, transparente und nachhaltige regionale Wertschöpfungskette zu entwickeln. Die Versorgung mit relevanten kritischen Rohstoffen soll durch eine Diversifizierung der Importe, eine Steigerung der europäischen Produktion sowie eine verbesserte Kreislaufwirtschaft gesichert werden (3).
Für die Realisierung von Offshore-Windprojekten braucht es spezielle Service- und Errichterschiffe, die bisher vor allem für die Öl- und Gasindustrie zur Verfügung standen. Die zeitliche Verfügbarkeit dieser Schiffe sind ein weiterer Kostentreiber für die Umsetzung neuer Projekte (6). Um die ambitionierten Ziele erreichen zu können, werden zusätzliche und auch größere Schiffe benötigt. Da es sich immer um Einzel- und Spezialanfertigungen handelt, ist der Bau dieser Schiffe sehr kostenintensiv. Hier wird es weitere Synergien mit den fossilen Offshore-Öl- und Gasindustrien brauchen, welche über beträchtliche Erfahrungen mit der Arbeit an Offshore-Standorten, die beim Bau von Fundamenten und Unterwasserstrukturen verfügen (7). Für die Wartung und Inspektion von Offshore-Windparks sind zudem die langjährigen Erfahrungen der Öl- und Gasunternehmen von großem Interesse, insbesondere was die Umsetzung von Sicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen betrifft.
An dem wegweisenden Vorhaben beteiligen sich namhafte Unternehmen aus verschiedenen Branchen. In Deutschland sind maßgeblich die beiden Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und Amprion dabei. Belgien wird durch Elia vertreten, während Dänemark mit Energinet und die Niederlande mit Gasunie an Bord sind. Zusammen haben sich diese Unternehmen das ehrgeizige Ziel gesetzt, nicht nur die Ausbauziele für Regenerativen Strom zu erreichen, sondern bis zum Jahr 2030 auch 20 Gigawatt an Wasserstoffkapazität, sowohl an Land als auch auf See, aufzubauen (8). Das große Ziel ist ein Offshore-System für erneuerbare Energien, was die Anrainerstaaten so-wohl technologisch als auch energetisch miteinander verbindet.
Fazit
Der Zweck der Europäische Union ist die Förderung von Frieden, Wohlstand und Stabilität in Europa. Auf dem Weg hin zu einer sauberen Energieversorgung für alle Europäerinnen und Europäer, braucht es eine enge und integrative Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten. Das Ergebnis des Nordsee-Gipfels stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar (9). Doch der Druck muss weiter aufrechterhalten werden, damit die Unterzeichnerländer ihren Verpflichtungen nachkommen und weitere Maßnahmen ergreifen, um bis 2030 und 2050 den Ausbaupfad für Offshore-Windprojekte einzuhalten. Es steht außer Frage, nur mit der Offshore-Windindustrie können die Ziele der treibhausgasneutralen Energieversorgung bis 2050 erreicht werden.
Autor: Juris Liepins
QUELLEN:
(1) ZDFheute. (2023). Wie Europa Windkraft „kolossal“ ausbauen will. Verfügbar un-ter: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klima-windenergie-offshore-nordsee-stromversorgung-eu-100.html (abgerufen am: 01.06.2023)
(2) Mayr, J. & Brüssel, M. G. A. (2023). Nordsee-Anrainer setzen auf Ausbau der Windkraft. tagesschau.de. Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/windkraft-gipfel-105.html (abgerufen am: 04.05.2023)
(3) Ministerie van Algemene Zaken. (2023). Ostend Declaration on the North Sea as Eu-rope’s Green Power Plant. Diplomatic statement | Government.nl. Verfügbar unter: https://www.government.nl/documents/diplomatic-statements/2023/04/24/ostend-declaration-on-the-north-sea-as-europes-green-power-plant (abgerufen am: 04.05.2023)
(4) PricewaterhouseCoopers. (2018). Wie Deutschland sein Offshore-Windpotenzial voll ausschöpfen kann. PwC. Verfügbar unter: https://www.pwc.de/de/energiewirtschaft/wie-deutschland-sein-offshore-windpotenzial-voll-ausschoepfen-kann.html (abgerufen am: 04.05.2023)
(5) How to succeed in the expanding global offshore wind market. (2022). McKinsey & Company. Verfügbar unter: https://www.mckinsey.com/industries/electric-power-and-natural-gas/our-insights/how-to-succeed-in-the-expanding-global-offshore-wind-market (ab-gerufen am: 04.05.2023)
(6) EnergieWinde. (2021). Kein Schiff wird kommen. Kein Schiff wird kommen. Verfüg-bar unter: https://energiewinde.orsted.de/energiewirtschaft/offshore-wind-mangel-installationsschiffe (abgerufen am: 04.05.2023)
(7) Net Zero by 2050 – Analysis – IEA. (2021, Mai). IEA. Verfügbar unter: https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050 (abgerufen am: 04.05.2023)
(8) Geinitz, C. (2023). Verdopplung der Ausbauziele im Meer: Neue Hoffnung für lahme Windkraft. FAZ.NET. Verfügbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/neue-hoffnung-fuer-lahme-windkraft-18845093.html (abgerufen am: 04.05.2023)
(9) Pressekonferenz zum Nordsee-Gipfel am 24. April 2023 in Ostende. (2023). Die Bundesregierung informiert | Startseite. Verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-zum-nordsee-gipfel-am-24-april-2023-in-ostende-2186446 (abgerufen am: 04.05.2023)