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Der Redispatch 2.0 im Branchendialog

Einleitung

Im Zuge der Anpassung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) wurden durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit Unterstützung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) unter anderem neue Festlegungen zu Redispatch-Maßnahmen erarbeitet, welche durch die einzelnen Branchen zu erfüllen sind und zum 01.10.2021 umgesetzt werden sollten.

Das Ziel ist, das Energieangebot und die Nachfrage im Stromnetz zu harmonisieren sowie Engpässe und somit eine Überlastung im Stromnetz zu vermeiden. Um dies zu gewährleisten, sind nun Erneuerbare-Energie-Anlagen sowie Biogas-Anlagen ab einer installierten Leistung von 100 kW verpflichtet, sich an dem Lastmanagement im Verteilnetz zu beteiligen.

Der vorliegende Artikel beleuchtet, was sich seit Bekanntgabe in den einzelnen Branchen bewegt hat. Er bietet Einblick in Begrifflichkeiten, in die historische Entwicklung bis zum heutigen Stand und zeigt wie viel Anstrengung und auch freiwilliges Engagement zum Status quo beigetragen haben. Es wird aufgezeigt, welche Schwierigkeiten in der Umsetzung in den einzelnen Branchen auftreten und es wird ein kurzer Ausblick auf zukünftige spannende Themen geworfen. Im Zuge der Recherche konnten die vertretenden Personen aus den einzelnen Fachverbänden für einen aufschlussreichen Austausch zu den Themen gewonnen werden.

Unsere Branchenvertreter

Die Aufgabe eines jeden Verbandes ist, sich mit den Belangen der jeweiligen Branchen auseinander zu setzen, Kompetenzen zu bündeln und auch einen fachübergreifenden Austausch zu gewähren. In den unterschiedlichsten Arbeitsgruppen werden spezifische Fragestellungen im Austausch mit den Mitgliedern beleuchtet und Lösungsansätze, Papiere sowie Leitfäden erarbeitet.

Als Dachverband vereint der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) Experten aus allen Bereichen der Erneuerbaren Energien, Biogas, Geothermie und Umweltwärme sowie Wasserkraft. Im Fachausschuss Kompetenzzentrum Netze (KomZ Netze) des BEE kommen unsere unten genannten Gesprächsbeteiligten zu Themen wie Smart Meter Gateway, Messen und Schätzen, Redispatch und Systemdienstleistungen (Blindleistungsbereitstellung, Schwarzstartsicherheit) zusammen. Wir bedanken uns mit viel Respekt vor deren Arbeit für die Zeit und den hervorragenden Input zu unserem Leitartikel. Bei all der Komplexität seien uns Lücken in den Ausführungen verziehen.

Wir haben uns mit den vertretenden Personen der einzelnen Verbände Maria Roos (Referentin Solartechnik beim Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW), Florian Strippel (Business Development Manager beim Fachverband Biogas e. V. (FV Biogas)) und Kevin Hamann (Fachreferent Netzintegration beim Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) zu der aktuellen Umsetzung der Redispatch-Maßnahmen ausgetauscht. Ebenso konnten wir vieles über den Prozess und die Entstehung eben solcher Vorgaben in Erfahrung bringen.
Maria Roos (Referentin Solartechnik beim Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW) betreut weit gefächerte Themen im BSW in folgenden Fach- und Arbeitsgruppen (FG, AG): FG Netze, AG Speicher, FG Betriebsführung, FG Bautechnik. Um nur einige Auszüge zu nennen: In der FG Netze geht es u. a. um das hiesige Thema Redispatch 2.0 und aktuell auch das intensiv diskutierte Smart-Meter-Gateway. In der FG Betriebsführung werden die Harmonisierung und der Know-how-Transfer für den Betrieb von Photovoltaikanlagen in Deutschland behandelt.

Florian Strippel (Business Development Manager beim Fachverband Biogas e. V. (FV Biogas)) ist für die Themen Stromnetze und Systemdienstleistungen zuständig. Darunter fallen beispielsweise auch die Anlagenzertifizierung, in Zukunft der Bereich des Smart-Meterings sowie die Diskussion um die marktliche Beschaffung von Systemdienstleistungen. Zusätzlich betreut er die Arbeitskreise Stromnetze und Direktvermarktung.

Kevin Hamann (Fachreferent Netzintegration beim Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) bearbeitet grundsätzlich die technische bzw. fachliche Seite der Themen, welche von der Zertifizierung bis hin zum elektrotechnischen Betrieb der Anlage und die damit einhergehenden technischen Regularien geht. Dabei betreut er den Arbeitskreis Netze im BWE und arbeitet u. a. im KomZ Netze im BEE. Aktuell bzw. insbesondere die letzten neun Monate hat das Thema Redispatch 2.0 und die damit zusammenhängende Arbeit im KomZ Netze einen sehr großen Teil eingenommen.

Ein kurzer Ausflug in Begrifflichkeiten und Werdegang

Im Folgenden werden wichtige Begrifflichkeiten dargestellt und die Komplexität der Entwicklung aufgezeigt. Dennoch werden hier nur einige Meilensteine des Prozesses dargestellt.

Jedes europäische Land besitzt einen oder mehrere Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Diese sind Pflichtmitglieder im europäischen Dachverband European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E). Dieser spricht Empfehlungen aus, um die europaweite sowie auch nationale Versorgung und Netzstabilität zu gewährleisten. Eine Übersicht der einzelnen Ebenen der Netzbetreiber von europäischer bis hin zu lokaler Ebene ist in Abbildung 1 zu finden.

Der Verantwortungsbereich der ÜNB liegt primär im Höchstspannungsnetz und dient der überregionalen Versorgung. In Deutschland werden auf Höchstspannungsebene (220/380 kV) durch vier ÜNB rund 35.000 km Stromnetz überwacht und gesteuert (1). Darüber hinaus gibt es mittlerweile mehr als 900 Verteilnetzbetreiber (VNB). Darunter fallen u. a. die Grundversorger, Stadtwerke und weitere Netzbetreiber (2).

Abbildung 1: Übersicht Netzverteilung (eigene Darstellung).

Wohlgleich viele, vor allem kleinere, Anlagenbetreiber von den Redispatch-2.0-Festsetzungen der BNetzA überrascht wurden, gab es spätestens seit den frühen 2010er Jahren ernst zu nehmende Diskussionen und Bestimmungen, dass der Ausbau der EE ebenso einen beschleunigten Netzausbau mit sich bringen muss. Mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie wurde 2011 das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) novelliert, seit 2012 gibt es einen durch die ÜNB entwickelten „Netzentwicklungsplan 2022“, um die Anforderungen national und auch auf europäischer Ebene mittel- bis langfristig umzusetzen (3).

Auch der Redispatch ist aus dieser Zeit kein neues Thema. Dieser war jedoch ursprünglich vorrangig den Übertragungsnetzbetreibern vorbehalten. Im Allgemeinen bedeutet er ursprünglich eine regulatorische Wirkleistungsanpassung von Kraftwerken ≥ 50 MW. Maßgeblich dafür ist die Summe der Netto-Nennwirkleistungen aller an einem Netzknoten angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie eines Betreibers (5). Da es nicht nur auf ÜNB-Ebene zu Netzengpässen kommen kann, sondern auch die Verteilnetzbetreiber davon betroffen sind, war und ist es jedoch unumgänglich, auch auf niedrigeren Spannungsebenen abzuregeln.

Redispatch bedeutet nicht mehr als die Absenkung der Einspeisung in einem Netzbereich sowie die gleichzeitige Steigerung der Einspeisung eines oder mehrerer Kraftwerke in einem anderen Bereich. Dies dient der Entlastung bei Netzengpässen. Netzengpässe wiederum entstehen, wenn das Stromangebot zu groß wird, die Entnahme jedoch zu gering ist und eine Überlast droht. Das Ganze kann von Instabilitäten im Netz bis hin zu Blackouts führen.

Abbildung 2: Beispiel Redispatch (7).

Seit dem Ausbau der EE-Anlagen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) besteht zusätzlich ein erhöhter Bedarf an Regelleistung. Dieser wurde bisher durch die Netzbetreiber im Einspeisemanagement-Verfahren durchgeführt. Wobei bei jeder Art von Regelleistung die EE- und KWK-Anlagen einen zumindest theoretischen Einspeisevorrang genießen.

Auf der Informationsseite der ÜNB (6) erhält man einen Einblick über die Regelleistungen sowie das Einspeisemanagement aus den Jahren 2013 bis heute. Die folgende Grafik zeigt beispielhaft die jährliche Zusammenfassung der Strom- -und Spannungsregelungen sowie das Einspeisemanagement von 2013 bis 2020.

Abbildung 3: Summe Regelungsmaßnahmen (eigene Darstellung nach (6)).

Insbesondere seit dem Jahr 2015 ist ein starker Anstieg der Regelleistungen zu sehen. Mit Steigerung der Regelleistungen sind auch die Kosten für ebenjene erheblich gestiegen. Die Notwendigkeit, den technischen Ausbau sowie den finanziellen und bilanziellen Ausgleich anzupassen, war ein unumgänglicher Prozess. In den Folgejahren gab es unterschiedlichste Untersuchungen, Bilanzierungen usw., bis im Jahr 2018 ein Referentenentwurf vorgelegt wurde, welcher im Jahr 2019 verabschiedet wurde. Die Novellierung des Netzausbau-beschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) in Hinsicht auf die Umsetzung des Redispatch 2.0 trat am 13.05.2019 in Kraft. Hier sind durch die BNetzA im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) sogenannte Mindestfaktoren für EE- und KWK-Anlagen bis zum 01. Dezember 2020 festgelegt worden (8).

Die Mindestfaktoren dienen im einfachsten Sinn der Bestimmung der „Abschaltreihenfolge“, der am Redispatch beteiligten Anlagen durch die Netzbetreiber, ohne hier im Weiteren auf die Komplexität der Methodik eingehen zu wollen. Am 08. Juni 2020 lag der erste Entwurf der Faktor-Festlegungen vor, wurde durch einzelne Unternehmen und die Branchenverbände geprüft und es wurde Einspruch gegen einzelne Verfahren erhoben. Aus Sicht der Verbände war es wichtig sicherzustellen, dass der Einspeisevorrang der EE- und KWK-Anlagen in jedem Fall bestehen bleibt, aber auch die technischen Ressourcen keiner unwirtschaftlichen Belastung unterliegen. Am 30.11. wurden mehr oder weniger unter Berücksichtigung der Einwände die Mindestfaktor-Festlegungen in einem offiziellen Beschluss der BnetzA veröffentlicht.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) war parallel maßgeblich an der Entwicklung der Branchenlösungen zur Umsetzung des daraus resultierenden Redispatch 2.0 beteiligt, mit folgenden Zielen:

  1. Erarbeitung des (zusätzlichen) Datenbedarfs jedes Netzbetreibers zur Durchführung des Redispatch
  2. Auflistung der benötigten Anforderungen des Daten-austauschprozesses zwischen Anlagenbetreibern und Netzbetreibern sowie zwischen den Netzbetreibern
  3. Regelungen vorbereiten für den finanziellen und bilanziellen Ausgleich sowie die Abrechnung des Redispatch (9).

Abbildung 4: BDEW-Zeitschiene Umsetzung Redispatch 2.0 (9).

Die jeweiligen Branchenvertreter (BSW, BWE und Biogas) sowie auch die Stromnetzbetreiber kamen durch den BDEW in einzelnen Konsultationen zusammen, um die Umsetzung neuer Marktprozesse, welche die Prozesse der BNetzA beinhalten, voranzutreiben.

Abbildung 5: Übersicht Verbandstruktur (eigene Darstellung).

Die BNetzA hat anschließend im März 2021 die Festlegung zur Informationsbereitstellung für Redispatch-Maßnahmen und die Festlegung zur Netzbetreiberkoordinierung bei der Durchführung von Redispatch-Maßnahmen veröffentlicht (10).

Die Festlegungen trafen die Erneuerbaren Energien sowie die Biogasbranche in ungleichem Maße. Für Betreiber, welche bereits auf die Direktvermarktung (DV) zurückgreifen, ist die Umsetzung ein weitaus geringerer Aufwand, insbesondere in Hinblick auf die technische Datenbereitstellung und den finanziellen sowie bilanziellen Ausgleich. Die Windbranche und die Biogasanlagen-Betreiber waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits mit ca. 90 % ihrer Anlagen in der Direktvermarktung. Wohingegen bei der Vielzahl der vor allem auch kleinen Anlagen in der Photovoltaik lediglich ca. 30 % in der DV waren.

Somit hat es die PV von der Anzahl der Betreiber am meisten getroffen. Das größte Problem der Photovoltaik ist, dass für eine konforme Bereitstellung der Echtzeitdaten ein Großteil der Anlagen nachgerüstet werden müssten. Für viele Betreiber ist dies mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden, sodass ein Weiterbetrieb einiger Anlagen unwirtschaftlich wird. Auch eine Nachrüstung für Anlagen, die mittlerweile nahezu die Lebensdauer von 20 Jahren erreicht haben, ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Eine Härtefallregelung war und ist nicht vorgesehen. Zusätzlich sind die Regelungen für den Eigenverbrauch und auch für Speicherlösungen nicht zufriedenstellend geklärt.

Auch bei den Biogasanlagen-Betreibern sind viele kleine Anlagen vertreten, jedoch ist der Verband durch seinen Arbeitskreis mit den Direktvermarktern schon länger im Austausch und konnte hiervon profitieren. Das Thema Eigenverbrauch trifft die KWK-Anlagen ebenso wie die PV-Anlagen. Zusätzlich ist die Regelbarkeit wie bei Wind und PV durch die technologische Gegebenheit nicht im selben Maße möglich, ohne hier Folgeschäden an den Anlagen zu verursachen. Zusätzlich ist es kaum möglich, die Anlagen im Teillastbereich emissionsfreundlich zu betreiben. Hier gibt es strenge Richtlinien, welche einzuhalten sind. Jedoch werden die Flexibilität am Strommarkt und die damit einhergehenden Regelungsvorgaben durch die neuen Festlegungen verlangt. Es sollte klar sein, dass beide Vorgaben parallel unmöglich einzuhalten sind.

Für die Windbranche gab es im Vergleich eher kommunikative statt technologische Probleme, u. a. die Übermittlung der Echtzeitdaten, die Meldung von Nichtverfügbarkeiten sowie Softwareprobleme für die Betriebsführung. Aber auch hier gab es viele kleine Betreiber, insbesondere jene, die nicht im Verband aktiv sind, die zumeist erst wenige Tage vor Umsetzung schriftlich benachrichtigt wurden. Dennoch gibt es im Windbereich auch Vorgaben, z. B. Fledermausabschaltungen, welche im Gegensatz zu den Forderungen zur Netzstabilisierung stehen. Auch das funktioniert nicht gleichzeitig.

Ein weiteres Problem, welches alle gleichermaßen trifft, ist die Unklarheit über den finanziellen Ausgleich. Unter anderem müssen Zusatzkosten, die z. B. durch Hinzuziehen der Direktvermarkter verursacht werden, vorerst durch die Betreiber gedeckt werden. Und dies, obwohl der generelle Tenor war, dass keine Mehrkosten entstehen sollen. Auch die Direktvermarkter hatten bis zum Frühjahr 2021 keine reguläre Grundlage. Erst seit Mai 2021 konnten sie den Betreibern ein konkretes Angebot machen.

In Unterstützung einer marktweit einheitlichen Anwendung von Marktprozessen veröffentlicht der BDEW in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Erneuerbaren Energien e. V. (BEE), Bundesverband Neue Energiewirtschaft e. V. (bne), Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e. V. (edna), Europäischer Verband der unabhängigen Energieversorgungunternemen/Organisationen (GEODE – Groupement Européen des entreprises et Organismes de Distribution d’Énergie) und Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) begleitende Umsetzungshilfen in Form von Anwendungshilfen sowie Umsetzungsfragenkatalogen (10).

Die Projektgruppe Umsetzungsfragen erarbeitet in regelmäßigen Treffen Strategien, um sich zu den Festsetzungen, welche bis zuletzt nicht eindeutig definiert waren bzw. zu viel Spielraum lassen, zu positionieren und sinnvolle Lösungsansätze zu definieren. Dies geschieht auch für jede Branche im Einzelnen. Das klare Ziel ist, mit und für die neu betroffenen Betreiber den Übergang übersichtlich und auch wirtschaftlich tragbar zu gestalten. Dennoch müssen die Lösungsansätze und Fragestellungen am Ende von der BNetzA akzeptiert werden, oder auch nicht.

Selbst zum Startschuss am 01.10.2021 gab es immer noch ungeklärte bzw. nicht ausreichend präzisierte Themen, welche nach wie vor in der „PG Umsetzungsfragen“ diskutiert und hoffentlich mittelfristig sinnvoll gelöst werden. Zu den offenen Themen gehören u. a. nach wie vor die Definition und auch Festlegungen zum Eigenverbrauch, aber auch die Übernahme der zusätzlich anfallenden Kosten.

Der bilanzielle Ausgleich wird nun erst ab dem 01. März 2022 schrittweise eingeführt. Für die Betreiber gibt es dann keinen Aufschub mehr. Die Vorgaben müssen ab dato einheitlich erfüllt werden.

Eine weitere Änderung ist, dass die Umsetzung zur Echtzeitdatenübermittlung nicht mehr zwingend vorgeschrieben ist. Und ebenso wichtig: Es gibt keine Sanktionen, da rechtswidrig; der Netzbetreiber kann unerfüllte Anforderungen aber bei der BNetzA melden. Dies kann im schlimmsten Fall zu rechtlichen, langwierigen Streitigkeiten führen. Evtl. kann es zum 01.03.2022 Sanktionen geben, da zumindest Stammdaten, EIV und BTR gemeldet sein müssen. Dies ist aktuell jedoch noch spekulativ, sollte aber im Hinterkopf behalten werden.

Und welche Themen bewegen die Branchen darüber hinaus?

Auch wenn das Thema Redispatch 2.0 „nahezu“ abgeschlossen ist, zumindest im Vergleich zu seinem doch gut 10-jährigen Werdegang, blieben einige weitere spannende Themen unserer Gesprächspartner hängen, welche auch zukünftig keine Langeweile aufkommen lassen werden. Diese seien hier nur als Gedankenanstoß aufgeführt.

Generell, wenn laut EU-Kommission etwas anderes gefordert wird, ist nicht klar, ob unsere aktuelle Redispatch-Lösung Bestand haben wird. Es wird immer wieder Entwicklungen geben, auf die wir reagieren müssen.

Biogasanlagen können auch einen positiven Redispatch. Was bedeutet das im Wesentlichen? Vor allem für die Beschaffung und Speicherung von Biogas?

Es fehlt der Weitblick für zukünftige Technologien, welche heute noch nicht inkludiert sind, u. a. Wasserstoff und Geothermie.

Aktuell auch schon stark diskutiert: die Systemdienstleistungen (Schwarzstart und marktliche Beschaffung von Blindleistung). Wiederum müssen die Betreiber fähig sein, dies bereitzustellen. Eine Gleichzeitigkeit der Systemdienstleistungen und dem Redispatch ist am Markt jedoch nicht möglich.

Der allgemeine Zertifizierungsprozess kommt auch nochmal auf alle Betreiber zu. Die Zertifizierungsunternehmen hängen stark hinterher.

Schwefelhexafluorid (SF6) ist das stärkste bisher bekannte Treibhausgas. Es ist weitläufig, vor allem jedoch im Energiesektor, verbaut und bietet Fläche für Diskussion. Insbesondere das Verbot und der damit einhergehende Austausch aller verbauten SF6-Schaltanlagen und die Entsorgung des Gases bieten Spielraum für verschiede Szenarien.

Zusammenfassung

Die Betreiber, insbesondere auch kleinerer Kraftwerke, sollten sich bewusst machen, dass, sobald sie in das öffentliche Stromnetz einspeisen, sie mittel- und langfristig den Vorgaben der BNetzA und im weitesten Sinne den Bestimmungen und Empfehlungen auf EU-Ebene unterliegen.

Im Umkehrschluss sollten durch die Netzbetreiber eine gleichberechtigte und faire Kommunikation und Positionierung gegenüber den Betreibern möglich sein. Man kann eine 100-kV-Photovoltaikanlage nicht mit einem Kohle- oder Gaskraftwerk gleichsetzen. Das sind unterschiedliche Technologien mit anderen Voraussetzungen. Für kleine Betreiber, teils auch private Personen, ist das ein sehr komplexes Niveau, selten ist genug Wissen und Erfahrung z. B. im Bereich der Bilanzierung oder Kommunikationsschnittstellen vorhanden.

Um einen Austausch auf Augenhöhe zu finden, ist der Dialog, z. B. über die einzelnen Verbände, hilfreich. Ebenso sind auch Anlaufstellen wie der BDEW eine Unterstützung, jedoch sind auch hier die Vertreter meist ebenjene, die ohnehin in der Thematik gut verankert sind. Diejenigen, die hier nicht vertreten sind, z. B. auch kleinere Stadtwerke, sind auch die, welche die Vorgaben und Festsetzungen nicht verstehen.

Und was ist mit den vielen, die keine Verbandsmitglieder sind? Wo bekommen sie alle nötigen Informationen her? Dies kann nur über die Netzbetreiber erfolgen. Sie sind die einzigen, denen die Daten von allen Betreibern vorliegen und die diese informieren können, dass sie Stammdaten, einen Einsatzverantwortlichen (EIV) und einen Betreiber der technischen Ressource (BTR) brauchen, wohlgleich hier auch ein DV eingeschaltet werden kann. Und das kann auch nur geschehen, wenn den einzelnen Verteilnetzbetreibern selbst das Verfahren geläufig ist.

Zusätzlich sollte seitens der BNetzA klargestellt werden, dass durch solche Beschlüsse keinem Betreiber in irgendeiner Form ein wirtschaftlicher Schaden entstehen soll. Die aktuellen, noch nicht vollständig umgesetzten, Regelungen lassen hier den Netzbetreibern noch genug Spielraum, trotz vermeintlich gut verstandener Festlegungen, den einzelnen Betreibern ggf. unnötige Aufwendungen abzuverlangen.

Wir wünschen allen eine regelungsarme Winterzeit.

Und wir erinnern daran, dass die Übergangsfrist zur Einführung des bilanziellen Ausgleichs zum 31.03.2022 ausläuft.

Von: Peggy Wolfram

 

QUELLEN:

(1) ÜNB (o. D). Deutsches Übertragungsnetz. Verfügbar unter: https://www.netztransparenz.de/Allgemeines/Deutsches-Uebertragungsnetz (abgerufen am: 15.12.2021).
(2) EnBW (2020). Verteilnetzbetreiber. Verfügbar unter: https://www.interconnector.de/wissen/verteilnetzbetreiber/ (abgerufen am: 15.12.2021).
(3) Netzentwicklungsplan Strom (August 2011). Übertragungsnetzbetreiber. Verfügbar unter: https://www.netzentwicklungsplan.de/de/netzentwicklungsplaene/netzentwicklungsplan-2022 (abgerufen am: 15.12.2021).
(4) Bundesnetzagentur (2021). Redispatch. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Engpassmanagement/Redispatch/start.html (abgerufen am: 15.12.2021).
(5) Bundesnetzagentur (2012). Beschlusskammer 6. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/1_GZ/BK6-GZ/2011/BK6-11-098/BK6_11_098_Beschluss.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen am: 15.12.2021).
(6) Netztransparenz (2021). Redispatch-Maßnahmen. Verfügbar unter: https://www.netztransparenz.de/EnWG/Redispatch (abgerufen am: 15.12.2021).
(7) Next Kraftwerke GmbH (2021). Was sind Dispatch, Redispatch & Redispatch 2.0. Verfügbar unter: https://www.next-kraftwerke.de/wissen/dispatch-redispatch (abgerufen am: 15.12.2021).
(8) BDEW (2020). BDEW-Stellungnahme: Festlegung Mindestfaktoren Redispatch 2.0. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/service/stellungnahmen/bdew-stellungnahme-festlegung-mindestfaktoren-redispatch-20/ (abgerufen am: 15.12.2021).
(9) BDEW (2020). Aktuelles zu Redispatch 2.0. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/energie/redispatch-20/ (abgerufen am: 15.12.2021).
(10) BDEW (2021). Umsetzungsfragenkatalog zum Redispatch 2.0. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/service/anwendungshilfen/umsetzungsfragenkatalog-zum-redispatch-20/ (abgerufen am: 15.12.2021).
(11) Interconnector (2021). Redispatch 2.0 – Was Anlagenbetreibende jetzt wissen müssen. Verfügbar unter: https://www.interconnector.de/energieblog/erneuerbare-energien/redispatch-2-0-was-anlagenbetreiber-jetzt-wissen-muessen/ (abgerufen am: 03.01.2021).

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