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Photovoltaik auf Freiflächen – Gewinn für den Naturschutz? (Teil 2)

Naturverträgliche PV-Parks – wie geht das?

Augen auf bei der Flächenwahl

Nicht immer bedeutet eine Solarfreiflächenanlage auch einen naturschutzfachlichen Gewinn. Insbesondere Flächen, die bereits ökologisch bewirtschaftet werden bzw. unter Schutz stehen, erfahren durch die Belegung mit Solarmodulen eher keine Aufwertung. Zu nennen sind hier Schutzgebiete mit einer hohen Schutzintensität wie beispielsweise Nationalparks, Naturschutz-gebiete oder Wasserschutzgebiete der Zone I. Flächen in derartigen Gebieten werden meist bereits im Sinne des Naturschutzes gepflegt bzw. genutzt – durch eine Freiflächen Photovoltaikanlage (FF-PVA) würde sich der naturschutzfachliche Wert der Fläche in der Regel verschlechtern (1). Ebenso gehören Waldgebiete und extensiv bewirtschaftete Agrarflächen zu denjenigen Flächenkategorien, die bereits einen relevanten naturschutzfachlichen Wert aufweisen und in der Regel nicht von einer Solaranlage profitieren würden.

Auf vorbelasteten Flächen hingegen, wie Konversionsflächen, ehemalige Deponien und intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, können die beschriebenen Vorteile zum Tragen kommen und ein tatsächlicher naturschutzfachlicher Mehrwert geschaffen werden. Im Sinne der Bündelungswirkung und der Vermeidung übermäßiger Flächenzerschneidung sind FF-PVA nach Möglichkeit an bereits bestehenden Trassen wie Autobahnen oder Bahntrassen anzulegen (1).

Die Frage der Flächeneffizienz

Große Reihenabstände, Blühstreifen und die Freihaltung von Wildkorridoren – die ökologische Gestaltung von FF-PVA hat eine Kehrseite, die sich in einem Wort zusammenfassen lässt: Flächenineffizienz. Denn sinkt die installierte PV-Leistung pro Hektar Fläche, so steigt insgesamt der Flächenbedarf, um die erforderliche Leistung zur Nutzung Erneuerbarer Energien bereitzustellen. Diese Leistung ist in Form von Ausbauzielen im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt worden (2). Dies macht die Beanspruchung von ca. 2 % der bundesdeutschen Gesamtfläche für die Errichtung von FF-PVA und Windanlagen notwendig – nicht wenig in einem dicht besiedelten Land, in dem Fläche ohnehin ein knappes Gut ist (3).

Um den Flächenverbrauch insgesamt zu be-grenzen, ist daher grundsätzlich auf eine möglichst effiziente Nutzung der in Anspruch genommenen Fläche zu achten. Auch Betreibende von Solarfreiflächenanlagen haben im Sinne der Wirtschaftlichkeit der Anlagen ein Interesse daran, einen möglichst großen Flächenanteil mit Solarmodulen zu belegen. Hier können sich die wirtschaftlichen Interessen eines Anlagen-betreibenden sowie der Anspruch einer möglichst effizienten Flächennutzung und die Anforderungen des Naturschutzes gegenüberstehen – ein Dilemma, das einer sensiblen und zielgerichteten Abwägung im Planungsprozess bedarf.

Positiv in Bezug auf die Effizienz der Flächennutzung ist die deutliche Leistungssteigerung der verwendeten Solarmodule zu bewerten. In den letzten 15 Jahren hat sich der Flächenbedarf pro MW installierter Leistung von 4,1 ha im Jahr 2006 auf ca. 1 ha im Jahr 2021 reduziert (4). Darüber hinaus kann eine multifunktionale Nutzung der beanspruchten Fläche zu Zwecken der Energienutzung und der Landwirtschaft zu einer höheren Flächeneffizienz beitragen (siehe auch Newsletter vom Dezember 2021).

Eine gute Planung – das A und O

Die Wahl einer geeigneten Fläche ist also Grundvoraussetzung für eine möglichst hohe Naturverträglichkeit von FF-PVA. In Regionalplänen oder Flächennutzungsplänen können Behörden und Kommunen auf Basis von Potentialanalysen grundsätzlich geeignete Flächen für FF-PVA ausweisen. Auf diese Weise können bereits in der vorbereitenden Raumplanung sowohl ökologisch verträgliche als auch nicht geeignete Flächen identifiziert werden. Abbildung 1 stellt eine regionale Planhinweiskarte beispielhaft für die Region Rhein-Neckar dar, der Informationen über die Eignung von Flächen für die Entwicklung von FF-PVA entnommen werden können (5).

Abbildung 1: Planhinweiskarte „Freifläche-Photovoltaik“ für die Region Rhein-Neckar (grün: grundsätzlich geeignet, gelb: im Einzelfall möglich, hellgrün: Waldflächen, grau/weiß: ungeeignet) (5)

Neben der Wahl einer geeigneten Fläche sind im gesamten Planungs- und Umsetzungsprozess einer FF-PVA, von Bauleitplanung über Betrieb bis zum Ende der Laufzeit, naturschutzfachliche Belange zu berücksichtigen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Bau einer FF-PVA auch tatsächlich einen Mehrwert für den Naturhaushalt bietet. Zur Planung einer FF-PVA ist in der Regel die Entwicklung eines Bebauungsplans notwendig. In diesem Planverfahren sind die Eingriffe durch die geplante Anlage in den Naturhaushalt zu bewerten und entsprechende Ausgleichsmaß-nahmen zu entwickeln. Werden diese Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt, gilt der Eingriff infolge von z.B. Versiegelung und Flächenüberschirmung als kompensiert. Erst darüber hinaus gehende, freiwillige Maßnahmen schaffen einen Mehrwert und sind daher für eine naturverträgliche FF-PVA unerlässlich (6).

Die Kommunikation mit relevanten Akteuren des Naturschutzes vor Ort, wie Behörden und Naturschutzverbänden, ist ein wichtiger Bestandteil einer vorausschauenden Planung. Das lokale Wissen um Bestände schützenswerter Tier- und Pflanzenarten ist bei der Planung unbedingt zu berücksichtigen, um einen möglichst um-fassenden Überblick zum Ist-Zustand zu erhalten.
In der Anlagenauslegung ist auf einen aus-reichend großen Reihenabstand von mindestens 3,5 m, eine maximale Tiefe der Modultische von 5 m sowie einen Mindestabstand von Modul-unterkante und Boden von mindestens 80 cm zu achten. Auf diese Weise wird genügend Lichteinfall und Raum für die Entwicklung von Vegetation sichergestellt (1).

Während des Baus ist auf eine geringstmögliche Störung des Naturhaushalts zu achten. Durch eine Festlegung der Bauzeiten kann beispielsweise auf Brut- und Wanderzeiten Rücksicht genommen werden. Durch die Auslage von Schutzmatten kann die Bodenverdichtung durch temporäre Baustraßen reduziert werden. Eine ökologische Baubegleitung stellt als Kontrollinstanz die Einhaltung von naturschutzfachlichen Standards vor und während der Bauphase sicher (6).

In der Betriebsphase kann durch ein fachlich fundiertes, auf klaren Prüfvorgaben beruhendes Monitoring die Wirksamkeit festgelegter ökologischer Maßnahmen sichergestellt werden. Durch eine wartungsarme Gestaltung der Modultische ohne Nachführkonstruktionen, den Verzicht auf chemische Mittel zur Modulreinigung und die Berücksichtigung von Ruhe- und Brutzeiten kann die Störung sensibler Arten im Betrieb minimiert werden (6).

Grundsätzlich ist im Sinne der effizienten Ressourcennutzung ein möglichst langer Anlagen-betrieb anzustreben. Nach Ende der Betriebszeit ist eine Freiflächensolaranlage relativ unkompliziert rückbaubar. Wie auch beim Anlagenbau, ist beim Rückbau darauf zu achten, dass Eingriffe in den Naturhaushalt vermieden werden. Durch eine ökologische Baubegleitung kann dies auch in dieser Phase sichergestellt werden (6).

Mehr Naturschutz durch zertifizierte Biotopsolarparks

Eine weitere Möglichkeit, die Naturverträglichkeit von FF-PVA zu erhöhen, ist eine Zertifizierung als sogenannter Biotopsolarpark. Damit beschäftigt sich derzeit ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Forschungsprojekt. Auf Grundlage eines Evaluierungssystems für eine umweltfreundliche und landschaftsverträgliche Energiewende (“EULE“) sollen vorhabende Trägerschaften zu mehr ökologischen Maßnahmen in der Planung und Umsetzung von FF-PVA motiviert werden. Das Prinzip: Besonders ökologisch gestaltete Solarparks erhalten eine Zertifizierung (das sogenannte EULE-Zertifikat). Stromkunden können diese zertifizierten Anlagen mit einem zusätzlichen EULE-Cent pro kWh in ihrer Stromrechnung unter-stützen. Dieser wird wiederum vollständig den Anlagenbetreibenden zur Refinanzierung der umgesetzten Maßnahmen ausgezahlt. Auf diese Weise soll ein Anreiz für mehr Artenschutzmaßnahmen in FF-PVA geschaffen werden, wie beispielsweise in Oberndorf, wo mehr als 500 Tier- und Pflanzenarten dokumentiert wurden. Ebenso haben VerbraucherInnen die Möglichkeit, Einfluss auf eine naturgerechte Gestaltung der Energie-wende zu nehmen (7, 8).

Fazit

Die Umwandlung intensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen in eine FF-PVA ist in der Regel mit einer deutlichen Aufwertung der betreffenden Flächen und einer Steigerung der lokalen biologischen Vielfalt verbunden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Berücksichtigung entsprechender Kriterien bei der Anlagenplanung wie ausreichend große Reihenabstände, Erhalt und Entwicklung von Biotopstrukturen und die Schaffung von Wanderkorridoren. Trotz positiver Entwicklungen in den letzten Jahren, wird noch nicht allerorts auf diese Kriterien geachtet (9).
Daher fordern verschiedene Naturschutz-verbände immer wieder ein Solarenergiegesetz mit bundesweit geltenden Kriterien für die Standortauswahl sowie den Bau, den Betrieb und die Pflege von FF-PVA. So soll ein einheitlicher Rahmen für den Ausbau von FF-PVA geschaffen und den Belangen des Natur- und Umweltschutzes Rechnung getragen werden. Einheitliche Vorgaben für Bestandserfassungen und Wirkungskontrollen könnten dazu beitragen, den Erfolg von umgesetzten ökologischen Maßnahmen bewerten zu können (10).

In Finowfurt neigt sich ein ertragreicher Tag dem Ende entgegen; schätzungsweise 300 MWh regenerativer Strom wurden hier heute erzeugt (11). Damit der saubere Strom auch einen Mehrwert für den Naturschutz hat, wird durch die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde hier weiter die Entwicklung der biologischen Vielfalt beobachtet. Die Ergebnisse des Monitorings werden zukünftig dabei helfen, die Naturverträglichkeit von FF-PVA weiter zu verbessern und die Energiewende ökologisch nachhaltig zu gestalten.

Autor: Simon Hoffmann

QUELLEN:

(1) BUND (2022): Biodiversitätsstandards für Freiflächen-PV. Handlungsleitfaden für eine ökologisch verträgliche Planung und Umsetzung. Verfügbar unter: https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/Energie_und_Klima/Erneuerbare_Energie/2022_07_25_Biodiversitaetsstandards_Freiflaechen-PV-Anlagen.pdf (abgerufen am: 16.06.2023)


(2) § 4 EEG 2021


(3) Umweltbundesamt (2023): Siedlungs- und Verkehrsfläche. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche (abgerufen am: 19.06.2023)


(4) UBA (2022): Umweltverträgliche Standortsteuerung von Solar-Freiflächenanlagen Handlungsempfehlungen für die Regional- und Kommunalplanung. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_umweltvertraegliche_standortsteuerung_von_solar-freiflaechenanlagen.pdf (abgerufen am: 16.06.2023)


(5) Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (2022): Neue Planhinweiskarten für Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik. Verfügbar unter: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/neue-planhinweiskarten-fuer-windkraft-und-freiflaechen-photovoltaik/ (abgerufen am: 19.06.2023)


(6) Hietel, E., Reichling, T. und Lenz, C. (2021): Leitfaden für naturverträgliche und biodiversitätsfreundliche Solarparks – Maßnahmensteckbriefe und Checklisten. Verfügbar unter: https://www.th-bingen.de/fileadmin/projekte/Solarparks_Biodiversitaet/Leitfaden_Massnahmensteckbriefe.pdf (abgerufen am 16.06.2023)


(7) Regionalwerke (2023): Das EULE-Prinzip. Verfügbar unter: https://eule-energiewende.de/ueber-eule/ (abgerufen am: 16.06.2023)


(8) PV Magazine (2021): Projekt „Eule“: Solarpark tragen zur Erhöhung der Artenvielfalt bei. Verfügbar unter: https://www.pv-magazine.de/2021/01/12/projekt-eule-solarpark-tragen-zur-erhoehung-der-artenvielfalt-bei/ (abgerufen am 19.06.2023)


(9) Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2019): Freiflächensolaranlagen. Handlungsleitfaden. Verfügbar unter: https://www.wir-leben-genossenschaft.de/files/Handlungsleitfaden_Freiflaechensolaranlagen(2).pdf (abgerufen am: 16.06.2023)


(10) DNR Deutscher Naturschutzring (2022): Solaranlagen: Chance für Naturschutz, Erfordernis für Klimaschutz. Verfügbar unter: https://www.dnr.de/sites/default/files/2022-09/220928_Solarpapier_Stand_September.pdf (abgerufen am: 16.06.2023)


(11) Deutscher Wetterdienst (2023): Aktuelle Beobachtungswerte – Deutschland. Verfügbar unter: https://www.dwd.de/DE/leistungen/beobachtung/beobachtung.html (abgerufen am: 19.06.2023)

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