loader image

Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen

In Deutschland werden bereits seit vielen Jahren Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt, jedoch sind weitere Maßnahmen und Bemühungen notwendig, um die im Klimaschutzgesetz festgelegte Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen (1). Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem auch das Recycling von Metallen und Industriematerialien, wozu auch die Komponenten von Windenergieanlagen (WEA) gehören.
Zum Ende des Jahres 2023 waren bundesweit 28.667 Onshore-WEA in Betrieb, die eine Gesamtleistung von 61 GW umfassten (2). Etwa die Hälfte dieser Anlagen haben das Alter von 15 Jahren überschritten und kommen so der technischen Lebensdauer von 20 Jahren immer näher (3). Daraus folgt, dass in den kommenden Jahren der Rückbau vieler Anlagen ansteht. Doch wie genau verläuft der Rückbau? Was passiert mit den einzelnen Komponenten? Woraus bestehen sie, und ist ein Recycling möglich?

Vorgaben beim Rückbau

Der Rückbau einer WEA ist dann erforderlich, wenn diese ihre technische Lebensdauer erreicht hat. Diese ist erreicht, sobald sich eine Investition in die Reparatur nicht mehr lohnt oder keine Ersatzteile verfügbar sind. Oft spricht man unter anderem auch von einer Lebensdauer von 20 Jahren, da nach dieser Zeit der Vergütungsanspruch nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für den in der Anlage erzeugten Strom endet. Somit ist ein Weiterbetrieb der WEA nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Kosten für Service und Betrieb kleiner sind als die Erlöse, die für den Strom erzielt werden können. Oftmals werden Standorte auch im Zuge des Repowering für neue, leistungs-stärkere Anlagen genutzt und die WEA somit auch schon vor dem Erreichen ihrer eigentlichen Lebensdauer vom Netz genommen (3).

Bislang gibt es in Deutschland kein zentrales Gesetz oder eine einheitliche Verordnung, welche sich mit dem Rückbau von WEA beschäftigt. Jedoch ist die Absicherung des Rückbaus ein wichtiger Bestandteil bei der Planung und Genehmigung von Windenergievorhaben. Diese wird adressiert in Form einer Verpflichtungserklärung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB. Seit 2004 ist die Rückbauverpflichtung als verbindliche Aufgabe für Vorhabenträger und Behörden vorgesehen. Diese Verpflichtungserklärung besagt, dass das Vorhaben nach ihrer dauerhaften Nutzungsaufgabe zurückgebaut und die Bodenversiegelung beseitigt werden muss. Das Anliegen der Gesetzgebung war hierbei der Schutz von Außenbereichen. Planungsträger und Genehmigungsbehörden haben die Möglichkeit, den Rückbau nach Maßgaben allgemeiner Vorschriften zu adressieren und entsprechend zu lenken (4).

Im Juli 2020 hat das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) die DIN SPEC 4866 veröffentlicht, die einen Branchenstandard für den Rückbau und das Recycling von WEA definiert. Ziel dieses Dokumentes ist die Festlegung der Rahmenbedingungen für den nachhaltigen und effizienten Rückbau, die Demontage, das Recycling und die Verwertung von WEA in Repowering- und Stilllegungsprojekten unter Berücksichtigung von Wiederverwendungsoptionen. Sie legt Handlungsanweisungen und Qualifikationsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der bestehenden Regelungen zum Arbeits- und Umweltschutz fest und gibt einen Überblick über die erforderlichen Erkundungen, Planungen und die damit verbundenen behördlichen Genehmigungen (5). Derzeit dient die DIN SPEC 4866 den Betreibern, Kommunen und Behörden als Hilfestellung, sie soll jedoch mittelfristig auch in eine DIN-Norm überführt werden (3).

Sind Komponenten der WEA nicht wiederverwendbar, gelten sie als Abfall und sind gemäß dem Kreislaufwirtschaftsgesetztes (KrWG) zu entsorgen. Auch sind weitere Normen bei der Entsorgung bestimmter Komponenten zu beachten. Unteranderem gelten die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), das Elektro- und Elektronikgerätegesetzt (ElektroG) oder auch das Chemikaliengesetzt (ChemG) (3).

Schrittweiser Rückbau

Der Rückbau einer WEA ähnelt üblicherweise sehr dem Aufbau und erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst wird jedoch ein projektspezifisches Rückbau- und Recyclingkonzept erstellt und ein qualifiziertes Abbruch- und Entsorgungsunternehmen beauftragt.
Die WEA wird durch die Trennung der Kabelverbindung vom Netz genommen und gilt nun als „dauerhaft stillgelegt“. Danach erfolgt die Trockenlegung von Ölen, Fetten, Getriebe- und Schmiermitteln und eine Verwertung dieser nach der Altölverordnung (AltÖlV). Sind klimaschädliche Gase in den Schaltanlagen enthalten, werden diese durch zertifiziertes Personal fachgerecht abgesaugt und entsprechend recycelt oder entsorgt (3).

Zunächst werden die Rotorblätter als Einzelblatt- oder Sterndemontage, als auch die Nabe mit Hilfe eines Krans entfernt. Dafür muss jedoch gewährleistet sein, dass das Manövrieren des Kranauslegers möglich ist und der Hauptkran auf der Kranstellfläche aufgestellt werden kann. Anschließend wird die Nabe mittels Schwertransport zum Entsorgungsfachbetrieb befördert und die Rotorblätter zerlegt. Damit die bei der Zerlegung entstehenden Stäube nicht in die Umwelt gelangen, erfolgt das Sägen eingehaust. Der entstandene Staub ist durch Flüssigkeiten zu binden, aufzufangen und anschließend einer Abwasserbehandlung zuzuführen. Des Weiteren ist die Zerlegung in so wenig Schritten wie möglich durchzuführen. Die grob zerlegten Teile werden anschließend in spezifische Verwertungseinrichtungen gebracht, um dort weiter aufbereitet zu werden.
Auch das Maschinenhaus wird mittels des Krans zum Boden befördert und je nach Weiternutzung im Ganzen weiterverwendet oder in seine Einzelteile zerlegt. Ist keine Weiterverwendung der Gondel vorgesehen, so kann diese auch vor Ort zerlegt werden.

Die Turmsegmente werden schrittweise demontiert. Dafür werden vorerst alle relevanten Kabelverbindungen getrennt und Einbauten, wie Fahrstühle, Elektrotechnik, Podeste usw. ausgebaut. Bei der Demontage des Turms werden, je nach Turmart, verschiedene Verfahren verwendet. Stahl- und Stahlgittertürme werden durch Lösen der Ring- und Stahlelemente zurückgebaut. Die Verbindungselemente werden gelöst und die Einzelabschnitte mithilfe des Krans zum Boden gebracht, wo sie weiter demontiert und anschließend zum Entsorgungsunternehmen befördert werden. Stahlbetontürme werden ebenfalls in einzelne Segmente zerlegt, zum Boden gebracht und anschließend zu einem Recyclingwerk befördert, damit dort die Trennung des Betons und Stahls erfolgt. In seltenen Fällen, wenn beispielsweise die Demontage aufgrund von Teilzerstörungen nicht mehr sicher ist, kann es jedoch auch zu einer Sprengung des Turms kommen. Dabei sind die Lärm- und Staubbelastung, als auch Berechnungen und Nachweise hinsichtlich potenzieller Auswirkungen auf benachbarte Anlagen und Einrichtungen zu beachten.

Meist befinden sich die Elektrogeräte wie z. B. Generatoren, Trafostationen, Schaltanlagen als auch Steuerschränke in der untersten Turmebene der WEA. Diese werden separiert und analog zu den Geräten des Maschinenhauses zu Fachbetrieben zur weiteren Zerlegung, Beseitigung oder Aufbereitung befördert.
Bei dem Fundament wird zwischen einem standardmäßigen Flachfundament und einem Pfahlfundament, welches i. d. R. nur in sandigen Böden zum Einsatz kommt, unterschieden. Auch unterscheidet man bei dem Rückbau nach der Vorgabe zur Wiederherstellung, zwischen einem vollständigen oder bis zu einer bestimmten Tiefe rückzubauendem Fundament. Bei Flachfundamenten ist der vollständige Rückbau angestrebt, damit es zu einer uneingeschränkten Nachnutzung der Bodenfläche kommt. Langfristig wird angestrebt, dass es nach dem Rückbau zu keinem Flächenverbrauch oder einem Qualitätsverlust von Flächen kommt. Unabhängig von den Vorgaben zur Wiederherstellung ist der Rückbauumfang der schadstoffhaltigen Beschichtungen. Das Fundament wird in Einzelteile durch Hydraulikmeißel oder Lockerungssprengungen zerlegt und anschließend sind der Beton und der Bewehrungsstahl voneinander zu trennen und gesondert zu entsorgen. Die im Fundament enthaltenen Stahlverbindungsstücke zum Turm, können in, solange sie sich in einem fehlerfreien Zustand befinden, einem weiteren Fundament eigesetzt werden.

Zum Schluss müssen auch noch die Komponenten der Infrastruktur als auch die Nebenanlagen, wie Übergabestationen, Transformatoren, Kabeltrassen, Netzanlagen, Trafostationen, Kranstellflächen und Erschließungswege, zurückgebaut werden, sofern sie nicht für Repoweringprojekte verwendet werden können. Auch Baugruben sind wieder zu schließen und der Boden, der für die WEA genutzt wurde, muss renaturiert werden, um die Flächen in einen wieder bewirtschaftbaren Zustand zu bringen. Dies erfolgt in fünf Schritten: Bodenlockerung, Bodenauftrag, Zwischenbewirtschaftung, Folgebewirtschaftung und Maßnahmen bei Funktionseinschränkungen (6).

Materialien der Komponenten und Recyclingmöglichkeiten

Etwa 90 % einer WEA können recycelt werden. Die Türme und das Fundament einer WEA können sogar vollständig recycelt werden, da sie überwiegend aus Stahlbeton und Stahl bestehen (Abb. 1). Der Beton des Fundaments und des Turms wird bereits vor Ort zerkleinert und im Straßen- und Wegebau verwertet. Der Stahl der Turmsegmente wird zunächst einmal für den Transport zerkleinert und geht anschließend zurück in die Stahlproduktion, wo er wieder eingeschmolzen wird. Aus dem in den Komponenten enthaltene Betonstahl wird erneut Betonstahl hergestellt. Und der für die Erschließung und Kranstellflächen verwendete Gesteinsschotter wird auch wieder als Schotter für neue Projekte verwendet. Antriebsmotoren, Getriebe, Generatoren oder Schaltschränke werden, wenn möglich als Ersatzteile eingesetzt oder in Einzelteile zerlegt und recycelt. Das vorhandene Kupfer und Aluminium werden vollständig eingeschmolzen und zu neuen Produkten verarbeitet. Auch das seltene Neodym, welches sich in den Permanentmagneten einiger Anlagentypen befindet, wird durch spezialisierte Firmen recycelt (3).

Die einzigen Komponenten, die derzeit beim Recycling noch Schwierigkeiten bereiten, sind die Rotorblätter. Diese bestehen zu zwei Drittel aus faserverstärkten Kunststoffen und einem Drittel aus Harzen. Die faserverstärkten Kunststoffe setzen sich aus verstärkenden Glasfasern und einer eingebetteten Kunststoffmatrix, die meist aus Epoxidharz besteht, zusammen. Erst durch diesen Verbund von Materialien ist die große Belastbarkeit der Rotorblätter gegeben. Da die Rotorblätter immer größer werden, werden nun auch vermehrt Carbonfasern als Verstärkung für die Kunststoffmatrix verwendet, da sie bei geringerem Gewicht bessere Materialeigenschaften aufweisen. Das Problem von Verbundmaterialien ist, dass die Freisetzung von Fasern und Stäuben, materialunabhängig ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen. Außerdem ist eine saubere Trennung in die einzelnen Stoffe aufwendig, jedoch notwendig, um ein hochwertiges Recycling der Materialien in sortenreine Abfallströme und eine Vermeidung von Störstoffen sicherzustellen. Die saubere Trennung erfolgt mittels mehrerer Zerkleinerungsstufen der Rotorblätter, welche nach der groben Zerkleinerung vor Ort in dafür vorgesehen Recyclinganlagen vorgenommen wird. Das Recycling von Glasfasern hat sich bisher, wegen wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen, noch nicht auf dem Markt etabliert. Derzeit erfolgt die Verwertung ausschließlich über den Einsatz im Zementwerk, wo die Glasfasern in gebrannten Ziegeln verwertet werden. Carbonfasern werden aktuell mit Hilfe von Pyrolyse zurückgewonnen, jedoch gibt es aktuell in Deutschland nur eine Pyrolyseanlage (7).


Abbildung 1: Anteil der Baustoffe am Gesamtgewicht einer WEA (8)

Schlussfolgerung

Durch die genauere Betrachtung der verschiedenen Aspekte des Rückbaus und Recyclings von WEA, lässt sich feststellen, dass dieser Prozess eine wichtige Rolle für die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit der Windenergiebranche spielt. Um die Umweltauswirkungen zu minimieren und Ressourcen effizient nutzen zu können bedarf es jedoch gesetzlichen Verpflichtungen und einem einheitlichen Rückbau- und Materialverwertungsstandard. Derzeit gibt es diese weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern. Auch wird deutlich, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den Regierungsbehörden, Industrieakteuren und Umweltorganisationen erforderlich ist, um die Nachhaltigkeit zu fördern und die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen.

Zwar sind bereits rund 90 % einer WEA recycelbar, jedoch bereitet die Verwertung der Rotorblätter, aufgrund ihrer komplexen Materialzusammensetzung noch einige Herausforderungen. Daher sollten Hersteller in Zukunft ausreichende Informationen über die verwendeten Rohstoffe, Bauteilmaterialien und dessen Mengen sowie aller wesentlichen Komponenten liefern, um die Recycelbarkeit weiter zu steigern und eine Verwertung zu vereinfachen. Auch wäre die Einführung eines Abfallschlüssels für CFK und GFK in der Abfallverzeichnis-Verordnung international oder zu mindestens europaweit erforderlich, um eine einheitliche Verwertung dieser Stoffe zu gewährleisten. Des Weiteren bleibt zu hoffen, dass Innovationen und Investitionen in diesem Bereich stattfinden, um die Nachhaltigkeit der Windenergiebranche kontinuierlich zu verbessern.

Autor: Katharina Lepp

QUELLEN:


(1) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Klimaschutz. Verfügbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Industrie/klimaschutz.html (abgerufen am: 07.02.2024).
(2) Bundesverband WindEnergie. Windenergie in Deutschland – Zahlen und Fakten. Verfügbar unter: https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/deutschland/ (abgerufen am: 30.01.2024).
(3) Bredemann, C. (2023). Rückbau und Recycling. Verfügbar unter: https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/Rueckbau/FA_Wind_Kompaktwissen_Rueckbau_und_Recycling_07-2023.pdf (abgerufen am: 07.02.2024).
(4) Roscher, M. (2021). Rückbau von Windenergieanlagen – Ein Blick auf die Rückbauverspflichtung und weitere städtebaulichen Instrumente. Verfügbar unter: https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/Rueckbau/FA_Wind_Hintergrundpapier_Rueckbau_von_Windenergieanlagen_09-2021.pdf (abgerufen am: 07.02.2024).
(5) DIN Deutsches Institut für Normung e. V. DIN SPEC 4866. Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen. Berlin : Beuth Verlag GmbH, August 2020.
(6) Umweltbundesamt (2023). Abschlussbericht: Entwicklung eines Konzepts und Maßnahmen zur Sicherung einer guten Praxis bei Rückbau und Recyling von Windenergieanlagen. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-eines-konzepts-massnahmen-zur-sicherung (abgerufen am: 07.02.2024).
(7) Umweltbundesamt (20229. Abschlussbericht : Entwicklung von Rückbau- und Recyclingstandards für Rotorblätter. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-von-rueckbau-recyclingstandards-fuer (abgerufen am: 07.02.2024)
(8) Bundesverband WindEnergie (2023). Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen. Verfügbar unter: https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/02-technik-und-netze/09-rueckbau/20230801_BWE-Informationspapier_Rueckbau_und_Recycling_von_Windenergieanlagen.pdf (abgerufen am: 09.02.2024)

Soziale Medien

Follow us

4initia GmbH

Sponsor der FIS Juniorenweltmeisterschaft und Hauptsponsor des Skiverbands Sachsen

Pressekontakt

Torsten Musick
Managing Director

4initia GmbH
Reinhardtstr. 29
10117 Berlin
Germany

p:
+49 (0)30 27 87 807-0
f:
+49 (0)30 27 87 807-50

Weitere Informationen

Für weitere Fragen und Informationen stehen wir unter info@4initia.de gern zur Verfügung