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Vereinbarkeit von Windenergie und Artenschutz?

Einleitung

Klima­wandel, ein Thema was aus den heutigen Nach­richten nicht mehr wegzudenken ist. Der Treib­haus­gas­ausstoß und die daraus resul­tierende Erderwärmung vernichten Tier- und Pflanzen­arten (1). Im Jahr 2021 waren Braun- und Steinkohle für etwa 30 % der deutschen Strom­erzeugung verantwortlich (2). Jedoch verursacht Braun­kohle die stärksten Treib­haus­gas­emissionen und ist folglich am klima­schädlichsten (3). Aus diesem Grund hat sich die deutsche Bundes­regierung als Ziel gesetzt, den Anteil regene­rativer Energien am Brutto­strom­verbrauch bis zum Jahr 2035 auf 100 % zu erhöhen (4). Zudem soll bis spätestens 2045 eine Klima­neutralität erreicht werden, die eine (nahezu) vollständige Vermeidung der Treib­haus­gas­emissionen verlangt (4). Um dieses Ziel erreichen zu können, ist der Ausbau der Wind­energie und damit einhergehend, die Redu­zierung des Abbaus und der Nutzung fossiler Energie­träger unabdinglich.

Die Zahl der neu in Betrieb genommenen Wind­energie­anlagen (WEA) nimmt, trotz des dringenden Bedarfs, seit 2014 kontinuierlich ab (5). Ursachen sind zum einen der Mangel an planerisch ausgewiesenen Flächen für die Wind­energie­nutzung sowie Aus­einander­setzungen mit der Luftfahrt, aber vor allem Konflikte, welche die Genehmigungs­prozesse verzögern. Etwa 50 % der Streit­fragen gegenüber Wind­energie­projekten betreffen den Arten­schutz insbesondere von Fleder­mäusen und Vögeln (6). Erschwerend kommt hinzu, dass es keine bundesweit einheit­lichen Rahmen­bedingungen bezüglich des Arten- und Naturschutzes gibt.
Um diesem Phänomen ent­gegen­zuwirken und den Wind­energie­ausbau, trotz des bereits bestehenden Konflikt­potenzials mit dem Natur- und Arten­schutz, zu beschleunigen, veröffent­lichte die Bundes­regierung im April 2022 ein Eck­punkte­papier mit dem Ziel einen natur­verträg­lichen Wind­energie­ausbau voran­zutreiben.

Eckpunktepapier „Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“

Anfang April 2022 gaben Steffi Lemke (Bundes­ministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucher­schutz) und Dr. Robert Habeck (Bundes­minister für Wirtschaft und Klimaschutz) den Inhalt eines neuen Eckpunkte­papiers bekannt. Es thematisiert den Konflikt zwischen dem Ausbau der Wind­energie und dem Natur- und Arten­schutz. Mittels der Bestimmungen, die in diesem Eckpunkte­papier getroffen worden sind, soll dieser Konflikt gelöst werden und somit eine positive Beein­flussung beider Parteien erfolgen sowie Verein­barkeit schaffen (4).

In dem Eckpunkte­papier wird das neue Wind-an-Land-Gesetz angekündigt, welches die Bundes­regierung zügig plant einzuführen. Mit diesem wird jedes deutsche Bundes­land dazu verpflichtet, mindestens 2 % der Landesfläche für die Wind­energie­nutzung zur Verfügung zu stellen. Dieses Gesetz wird für die meisten Bundes­länder eine Heraus­forderung, da die bisherige Entwicklung im Ausbau der Windenergie stark variiert. Aktuell erreicht nur rund die Hälfte der Bundes­länder einen prozentualen Anteil an der Landes­fläche von über einem Prozent (4).

Tabelle 1: Prozentualer Windenergieanteil an der Landesfläche pro Bundesland (7)

Eine vom Bundes­verband WindEnergie e.V. (BWE) beauftragte Studie, welche vom Frauen­hofer IEE und bosch & partner durchgeführt wurde, ermittelte deutsch­land­weit sogar eine Potenzial­fläche von etwa 5,8 % der Landesfläche (inkl. Repowering). Dabei weist die Studie den unter­suchten Flächen sogenannte Konflikt­risiko­klassen von 1 (kein Konflikt­potenzial) bis 6 (faktisch nicht nutzbar) zu und kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung des Flächen­ziels von 2 % absolut realisierbar ist, die Flächen­potenziale unter den einzelnen Bundes­ländern enorm variieren und es so gut wie keine Flächen gibt, in denen es keinen potenziellen Konflikt gibt. Zentrale Stell­schrauben seien hier ins­besondere Siedlungs­abstände und die Nutzbar­keit von Wald­flächen (8).

Der Nutzung weiterer Flächen stehen unter Anderem jedoch die einzelnen Erlässe, Leit­fäden oder Arbeits­hilfen der Bun­des­län­der entgegen, welche diese eigenständig erarbeitet und als Maßstab gesetzt haben. Mit diesen rechts­kräftigen Dokumenten werden die Regeln und der Umgang festgelegt, an welche sich bei der Planung von beispielsweise WEA zwingend gehalten werden muss.

Eine Schlüssel­rolle im Eckpunkte­papier spielt die rechtsverbindliche Standard­isierung des Arten- und Natur­schutzes, die eingeführt werden soll. Die Umsetzung erfolgt mit einer Verankerung einheitlicher Regularien im Bundes­naturschutz­gesetz. Das bedeutet, dass nicht jedes Bundesland eigene Grundsätze festlegen kann, sondern eine bundes­weite Regelung eingeführt wird. Infolge derer fällt ein gewisser Handlungs­spielraum weg, der bisher nach eigenem Ermessen festgelegt und gehandhabt wurde. Mit festen Regeln soll es möglich sein, die Genehmigung und den Ausbau der Wind­energie zu beschleunigen und zugleich die Natur­verträglichkeit zu gewährleisten. Damit wird das Ziel verfolgt, dass das Tempo angezogen und der weitere Verlauf des Wind­kraft­ausbaus festgelegt und bestimmt wird.

Dabei spielt das Beibe­halten der Naturschutz­standards eine bedeutende Rolle. Im Vordergrund steht das Tötungs- und Verletzungs­risiko von Vogelarten und eine Überwachung der signifi­kanten Kollisions­erhöhung. Grundlage zur zukünftigen Bewertung soll eine Arten­schutzliste besonders gefährdeter Vogelarten sein, in der einzuhaltende Abstände sowie Prüf­bereiche und Vermeidungs­maßnahmen aufgeführt sind (Tabelle 2).

Die Prüf­bereiche sind von essen­zieller Bedeutung, da außerhalb von diesen nun angenommen werden kann, dass das Tötungs­risiko durch WEA dort nicht signifikant erhöht sein soll. Somit sind in diesen Bereichen keine Prüfungen (in Form von aufwendigen Raum­nutzungs­analysen) mehr vorgesehen und keine Vermeidungs­maßnahmen mehr erforder­lich (4).

Zusätzlich wird ein Arten­hilfs­programm eingeführt, welches den Vogelschutz finanziell unterstützen soll. Demzufolge sollen Windpark­betreibende in das Hilfs­programm einzahlen, falls der Windpark in Gebieten betrieben werden soll, wo dies eigentlich nicht vorgesehen ist und wo Arten ansässig sind, deren Population sich durch Betrieb eines Windparks verschlechtert (4).

Tabelle 2: Artenliste für Brutplätze (besonders) kollisionsgefährdeter Vogelarten sowie Tabu und Prüfbereiche (4)

Eine starke Um­struktur­ierung soll auch in Landschafts­schutz­gebieten stattfinden. Bis das 2 % Ziel erreicht ist, sollen diese Gebiete für Wind­energie geöffnet und vermehrt genehmigt werden. Diese Maßnahme gilt nicht nur für Windenergiegebiete, die in Land­schafts­schutz­gebieten ausgewiesen sind, sondern auch für alle Flächen, die einer Nutzung von Wind­energie nicht ent­gegen­stehen. Das ist generell aber nur möglich, wenn die Land­schafts­schutz­gebiete nicht von Welt­kultur- und Weltnatur­erbeflächen sowie Natura-2000-Gebieten überlagert werden (4).

Die genaue Umsetzung des Eckpunkte­papiers ist noch nicht klar. Der Bundes­verband WindEnergie e.V. (BWE) bezog aus diesem Grund Stellung und nannte dabei zentrale Aspekte, die aus der Sicht der Wind­branche konkretisiert und angepasst werden sollten. Im Vorder­grund stehen dabei die in Tabelle 2 aufgeführten Arten, sowie die fest­gelegten Schutz- und Prüf­bereiche. Zum einen seien die Abstände ohne wissenschaft­liche Begründung teils höher als vom Signifi­kanz­rahmen der Umwelt­minister­konferenz (8) vor­geschlagen wurde und zum anderen wurden ohne fachliche Begründung weitere Vogelarten in die Liste aufgenommen. Durch die Erhöhung der Abstände würde eine Vielzahl an Windparks, die aktuell in der Genehmigungs­phase sind, durch die Ein­führung von Tabu­bereichen nicht reali­siert werden können. Es müsse zwingend möglich sein, dass Einzel­fall­prüfungen durchgeführt werden, da viele Flächen ansonsten aufgrund von Wechsel­horsten oder neuen Brut­plätzen nicht sicher zu beplanen seien. Auch durch die Aufnahme von Arten wie dem Wespen­bussard und dem Schwarz­storch seien zahl­reiche Projekte betroffen, ohne dass eine konkrete Gefährdungs­situation vorläge (9).

Fazit

Um das durch die Bundes­regierung gesetzte, ambitionierte Ziel eines klima­neutralen Deutschlands bis 2035 zu erreichen, müssen nicht nur neue Instrumente etabliert, sondern auch bestehende Hemmnisse, unter anderem im Bereich des Arten­schutzes, abgebaut werden. Im Fokus steht nun, die Abhängig­keit von fossilen Energie­trägern zu beenden, indem eine rasche Umsetzung der Energie­wende ermöglicht wird. Hierzu ist ein natur­schutz­gerechter Ausbau der Wind­energie unabdingbar, für den jedoch zukünftig auch weitere Wald­flächen benötigt werden. Ziel­konflikte können dabei ins­besondere aufgrund der Über­schneidung von geplanten Windparks mit den Lebens­räumen von Vögeln, Fledermäusen und anderen Tieren entstehen.

Um den Ausbau im Einklang mit den relevanten Schutz­gütern des Gesetzes zu ermöglichen, ist unter anderem die Abwägung der Standort­wahl relevant. Weiter­führend können arten­spezifische Verhaltens­muster Ziel­konflikte hervorrufen. Auf Grundlage allgemein­gültiger Verhaltens­muster wurden bisher pauschale Abschalt­regelungen zur Reduzierung des Tötungsrisikos umgesetzt. Zur individuellen Anpassung der Abschaltregelungen werden Verhaltensmuster durch Habitat- und Raumnutzungsanalysen, sowie ein Monitoring in den ersten Jahren des Betriebs einer WEA durchgeführt und Ver­meidungs­maßnahmen umgesetzt. Auch ereignis­bezogene Abschalt­systeme zur Detektion und Vermeidung von Vogel­kollisionen kommen immer häufiger zum Einsatz.

Mit dem kürzlich vorgestellten Eckpunkte­papier „Beschleuni­gung des natur­verträg­lichen Ausbaus der Wind­energie an Land“ sollen bisher länder­spezifische Regelungen im Bereich des Arten­schutzes auf Bundes­ebene verein­heit­licht werden. Ins­besondere bundes­einheit­liche Standards der Signifikanz­prüfung und Ausnahme­regelung werden tangiert. Essenziell ist nun eine weitere Konkreti­sierung der genannten Maß­nahmen, um eine Einhaltung der gesetzten Ziele zu ermöglichen.

Autor: Annika Görnt und Patrick Vogel

 
 
 

QUELLEN:


(1) Frankfurter Rundschau (2021). Artenschutz – Windanlagen und Vögel: Wie gelingt Windkraftausbau und Vogelschutz? Verfügbar unter: https://www.fr.de/wissen/artenschutz-windkraft-tierschutz-voegel-auf-kollisionskurs-90481365.html (abgerufen am: 06.06.2022)
(2) Strom-Report (o. D.) Strommix 2021: Stromerzeugung in Deutschland. Verfügbar unter: https://strom-report.de/strom/ (abgerufen am 10.05.2022)
(3) NABU e.V. (o. D.) Stein- und Braunkohle. Die Kohleverstromung muss deutlich gedrosselt werden. Verfügbar unter: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/fossile-energien/stein-und-braunkohle/index.html (abgerufen am: 18.04.2022)
(4) BMUV (2022). Naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land beschleunigen. Verfügbar unter: https://www.bmuv.de/download/naturvertraeglichen-ausbau-der-windenergie-an-land-beschleunigen (abgerufen am 10.05.2022)
(5) NABU e.V. (o.D.). Windräder als Todesfalle entschärfen. Neue Studie zu Auswirkungen der Windenergie auf Fledermäuse. Verfügbar unter: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/wissen/15018.html (abgerufen am 10.05.2022)
(6) Topagrar Online (2021). Bundesregierung zur Windenergie: Fehlende Flächen und Klagen hemmen Ausbau. Verfügbar unter: https://www.topagrar.com/energie/news/bundesregierung-zur-windenergie-fehlende-flaechen-und-klagen-hemmen-ausbau-12493208.html (abgerufen am: 18.04.2022)
(7) Tagesschau.de (2022). Ausbau der Windkraft stockt. Länder schaffen kaum Platz für Windräder. Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/windkraft-deutschland-habeck-klima-oekostrom-101.html (abgerufen am: 10.05.2022)
(8) Fraunhofer IEE (2022). Ergebnisse der BWE-Studie „Flächenpotenziale der Windenergie an Land 2022“. Verfügbar unter: https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/Pressekonferenzen/Ergebnisse_BWE-Flaechenstudie.pdf (abgerufen am 18.04.2022)
(9) Umweltministerkonferenz (2020). Standardisierter Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen (WEA) an Land- Signifikanzrahmen. Verfügbar unter: https://www.umweltministerkonferenz.de/documents/vollzugshilfe_signifikanzrahmen_11-12-2020_1608198177.pdf (abgerufen am 18.04.2022)

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