loader image

Windkraftanlagen und Speichertechnologien – Energieversorgung der Stadt Hamburg

Deutschland steht an einem Wendepunkt seiner energiepolitischen Geschichte. Mit dem ambitionierten Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, hat sich die Bundesrepublik auf eine transformative Reise begeben, die nicht nur die Energieproduktion, sondern auch die gesamte sozioökonomische Landschaft verändern wird (1). Im Zentrum dieser Transformation steht die Energiewende – ein umfassendes Programm, welches darauf abzielt, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen und die Energieeffizienz signifikant zu steigern. Der „Energiemix Deutschland“ bezieht sich auf die unterschiedlichen Energiequellen, aus denen Deutschland seine Energie gewinnt. Diese Energiequellen können erneuerbar oder nicht-erneuerbar sein und umfassen verschiedene Technologien und Ressourcen. Abbildung 1 zeigt den Energiemix in Deutschland von 2022 im Vergleich zu 2023. Es zeigt sich, dass verschiedene Energieträger, insbesondere Windenergie, einen zunehmenden Beitrag zur Energiewende geleistet haben.


Abbildung 1: Nettostromerzeugung konventioneller und erneuerbarer Energieträger (2)

Während die nationale Ambition, bis 2045 klimaneutral zu sein, eine Vielzahl von Herausforderungen und Chancen birgt, rückt eine Stadt besonders in den Fokus: Hamburg. Mit seiner strategischen Lage, wirtschaftlichen Potenzial und progressiven Energiepolitik nimmt Hamburg eine Vorreiterrolle in der deutschen Energiewende ein. Dieser Artikel basiert auf einer ausführlichen Fallstudie, die im Rahmen einer Bachelorarbeit durchgeführt wurde, um die Rolle Hamburgs als Vorreiter in der deutschen Energiewende zu beleuchten.

Hamburgs Pionierarbeit für eine nachhaltige Zukunft

Hamburg, als zweitgrößte Stadt Deutschlands, mit einem bedeutenden Wirtschaftszentrum, steht vor einem enormen Energiebedarf (ca. 9,8 TWh in 2023), der sowohl für den städtischen Betrieb als auch für die Industrie und die Bevölkerung essenziell ist (3). Historisch gesehen hat die Stadt ihren Energiebedarf hauptsächlich durch konventionelle Energieträger wie Kohle, Erdgas und Öl gedeckt. Jedoch hat die wachsende Besorgnis über die Auswirkungen des Klimawandels die Stadt dazu veranlasst, eine neue Richtung einzuschlagen.
Hamburgs Weg zur Energieautonomie spiegelt das größere nationale Bestreben wider, eine nachhaltige und zuverlässige Energieversorgung zu schaffen. Somit hat sich die Stadt ehrgeizige Ziele gesetzt, um ihren Energiebedarf zu einem signifikanten Teil aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Ein Schlüsselelement dieser Strategie ist der Ausbau von Windenergie, sowohl an Land als auch auf See. Mit dem Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee und der Förderung von Onshore-Windenergieanlagen (WEA) in der Region zeigt Hamburg sein Engagement für saubere und nachhaltige Energieerzeugung.
Diese natürliche Ressource, kombiniert mit fortschrittlichen Speichertechnologien, bildet das Fundament für Hamburgs Bestrebungen, den Energiebedarf der Stadt vollständig durch erneuerbare Quellen zu decken.
Trotz des Engagements und der Fortschritte Hamburgs im Bereich Erneuerbaren Energien (EE) stehen der Stadt auch Herausforderungen bevor. Eine davon ist die Sicherstellung einer stabilen Energieversorgung. Daher investiert Hamburg auch in die Entwicklung von Energiespeichertechnologien und intelligente Stromnetzte, um die Schwankungen im Energieangebot auszugleichen und um eine zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten.
Die angestrebten Änderungen zur Energiewende in Hamburg sind mehr als eine technische Umstellung; sie sind ein umfassendes soziales Projekt, das eine Neugestaltung der Energieinfrastruktur, die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze und die Förderung eines umweltbewussten Lebensstils umfasst.

Speichertechnologien: Ein unverzichtbarer Baustein

Speichertechnologien stellen eine kontinuierliche Stromversorgung sicher, da Windenergie eine intermittierende Energiequelle ist. Sie ermöglichen es, überschüssige Energie zeitversetzt und bei Bedarf wieder abzurufen. Dies trägt zur Netzstabilität bei und erleichtert die Integration von EE. Die Untersuchung verschiedener Speichersysteme, darunter Lithium-Ionen-Batterien, Redox-Flow-Batterien und Pumpspeicherwerke, zeigt, dass jede Technologie spezifische Vor- und Nachteile aufweist. Die Entscheidung für eine oder eine Kombination der Technologien hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Anforderungen der Stromnetze, der Kosten und der Umweltverträglichkeit (4).
Durch die Kombination aus Windenergieerzeugung und effizienter Energiespeicherung adressiert Hamburg zwei der größten Herausforderungen der Energiewende: die Volatilität erneuerbarer Energiequellen und die Notwendigkeit, eine kontinuierliche Energieversorgung zu gewährleisten.

Potenzial von WEA und die Notwendigkeit von Speicherkapazitäten

Die Nutzung der Windenergie ist ein zentraler Pfeiler in der Strategie zur Dekarbonisierung (Reduktion) der Energieversorgung und zur Erreichung der Klimaneutralität. Insbesondere für Hamburg stellt der Einsatz von 651 WEA mit jeweils 6 MW Nennleistung eine ambitionierte Initiative dar, um den städtischen Energiebedarf nachhaltig zu decken. Die Wahl dieser Kapazität basiert auf einer Analyse der Windverhältnisse im Jahr 2022, die einen potenziellen Energieertrag von beeindruckenden 10,5 TWh verspricht (5). Um dieses Potenzial zu realisieren, erfordert es jedoch nicht nur eine gut ausgebaute Windinfrastruktur, sondern auch eine ausreichende Speicherkapazität, um die inhärenten saisonalen Schwankungen der Windenergieproduktion zu bewältigen.

Saisonale Ertragsunterschiede und Speicherbedarf

Die Windenergieproduktion ist von Natur aus volatil (unbeständig) und unterliegt signifikanten saisonalen Schwankungen. In Hamburg, wie auch in vielen anderen Regionen, tendiert die Windenergieproduktion dazu, im Winter höher zu sein, wenn kräftige Winde häufiger sind, während im Sommer die Produktionsraten tendenziell niedriger ausfallen. Diese Variabilität stellt eine Herausforderung für das Energiemanagement dar, da die Energieproduktion nicht immer direkt mit dem Energieverbrauch übereinstimmt. Um eine konstante Energieversorgung zu gewährleisten und die Überschüsse im Winter effektiv zu nutzen, sind umfangreiche Energiespeicherkapazitäten erforderlich.
Für Hamburgs Windenergieprojekt wird geschätzt, dass 989 GWh an Speicherkapazität benötigt werden (5), um die saisonalen Schwankungen abzufedern. Diese Zahl unterstreicht die Notwendigkeit, in großangelegte Speicherlösungen zu investieren, die in der Lage sind, die im Winter erzeugten Überschüsse aufzunehmen und für Zeiten geringerer Windaktivität, insbesondere im Sommer, bereitzustellen. Solche Speichersysteme sind entscheidend, um die Zuverlässigkeit der Stromversorgung zu gewährleisten und die volle Nutzung des Potenzials der Windenergie zu ermöglichen. Abbildung 2 zeigt die resultierende Stromerzeugung aus den WEA und den Speichern, und wie die saisonalen Schwankungen bei der Erzeugung auswirken.


Abbildung 2: Kombination aus Windenergie-Stromerzeugung und Batteriespeicher (5)

Strategien zur Überbrückung der Ertragsunterschiede

Um die Herausforderungen der saisonalen Ertragsunterschiede zu meistern, sind innovative Lösungen gefragt. Neben der physischen Speicherung von Energie in Batteriesystemen oder anderen Speicherformen wie Pumpspeicherkraftwerken, kann eine intelligente Netzsteuerung dazu beitragen, Angebot und Nachfrage effizient auszugleichen. Darüber hinaus spielen Demand-Side-Management (Flexibilität) und die Integration anderer erneuerbarer Energiequellen, wie PV, die während der Sommermonate eine höhere Produktionsrate aufweist, eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines resilienten und nachhaltigen Energieökosystems.

Umweltauflagen und deren Auswirkungen

Umweltauflagen sind entscheidend, um negative Auswirkungen auf die lokale Fauna und Flora zu minimieren. Zu den wichtigsten Regelungen gehören Fledermausabschaltungen, Schattenwurfabschaltungen und Eisabschaltungen. Diese Maßnahmen sind notwendig, um den Schutz bedrohter Arten zu gewährleisten und die Belästigung von Anwohnern durch Schattenwurf zu verhindern. Ebenso werden Anlagen bei Eisbildung automatisch abgeschaltet, um das Risiko von herabfallenden Eisteilen zu vermeiden. Diese Schutzmaßnahmen führen jedoch zu einer Reduzierung der Energieerzeugung. Im Fall von Hamburg ambitioniertem Windenergieprojekt führen Umweltauflagen zu einem Energieverlust von etwa 3,2 % der gesamten jährlichen Produktion von 10,4 TWh (5).

Netz- und technische Verluste

Die Übertragung von Energie vom Erzeugungsort zum Verbraucher ist mit inhärenten Verlusten verbunden. Für das Hamburger Windprojekt belaufen sich die Netzverluste auf etwa 2 % der gesamten Jahresproduktion von 10,4 TWh (5). Diese Verluste entstehen hauptsächlich durch den Widerstand in Übertragungs- und Verteilungsleitungen. Die Minimierung dieser Verluste ist durch den Ausbau der Netzinfrastruktur und die Optimierung der Netzsteuerung möglich, stellt jedoch eine kontinuierliche Herausforderung dar.
Technische Verluste umfassen Energieverluste, die durch Wartungsarbeiten, Störungen, vorgeschriebene Prüfungen und andere Betriebsunterbrechungen entstehen. Sie sind ein unvermeidlicher Teil des Betriebs von WEA und belaufen sich im Hamburger Projekt auf 1,70 % der gesamten Energieproduktion von 10,4 TWh (5). Die regelmäßige Wartung und Überwachung der Anlagen sowie Investitionen in robuste und zuverlässige Technologien können dazu beitragen, diese Verluste zu reduzieren.

Speicherverluste

Speichersysteme sind essenziell, allerdings sind auch diese Systeme nicht verlustfrei. Speicherverluste, die durch Lade- und Entladezyklen sowie durch die Effizienz der Speichertechnologie selbst entstehen, betragen im Hamburger Projekt ungefähr 5 % der insgesamt gespeicherten Energiemenge von 989 GWh. Diese Verluste sind bei der Planung des Energiesystems zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass ausreichend Speicherkapazität vorhanden ist, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten (6).

Wirtschaftlichkeitsanalyse von WEA und Speichersystemen

Die finanzielle Auswertung des Einsatzes von WEA und Speichersystemen in Hamburg liefert aufschlussreiche Erkenntnisse über die Kostenstruktur und wirtschaftliche Tragfähigkeit dieses ambitionierten Projekts. Die Fallstudie zeigt auf, dass Gesamtkosten von ca. 20 Mrd. € pro Jahr entstehen, die die Stadt vor eine gewaltige finanzielle Herausforderung stellt. Auffällig ist dabei die Verteilung der Kosten: Ein überwältigender Anteil von 98 % der Gesamtausgaben, ca. 19 Mrd. €, wird für die Speichersysteme aufgewendet, während lediglich 2 % (ca. 400 Mio. €) jährlich für die WEA selbst anfallen (5).
Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Speichertechnologien das finanzielle Rückgrat des Projekts darstellen. Der hohe Kostenanteil für die Speicher resultiert aus der Notwendigkeit, die durch die WEA erzeugte Energie effizient zu speichern und zu verwalten. Die Kosten reflektieren den technologischen Aufwand und die Komplexität, die mit der Speicherung von EE verbunden sind, insbesondere in einem Umfang, der eine ganze Stadt versorgen kann.
Die Wirtschaftlichkeitsanalyse wirft wichtige Fragen hinsichtlich der langfristigen Finanzierung und des Returns on Investment auf. Trotz der hohen initialen Kosten bieten Investitionen in EE und Speichertechnologien erhebliche Vorteile, die über direkte finanzielle Erträge hinausgehen. Dazu gehören die Reduktion von CO2-Emissionen, die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die Stärkung der lokalen Energieautonomie.
Um die Wirtschaftlichkeit zu maximieren, sind Effizienzsteigerungen bei den Speichertechnologien sowie eine Optimierung der Betriebs- und Wartungskosten der WEA entscheidend. Zudem können staatliche Förderungen, steuerliche Anreize und innovative Finanzierungsmodelle dazu beitragen, die finanzielle Belastung zu minimieren und die Investitionen attraktiver zu gestalten. Darüber hinaus könnte der Einsatz einer anderen Art von erneuerbaren Energieträgern mit einer hohen Verfügbarkeit während der Sommermonate eine effektive Lösung sein, verbunden mit einer Reduzierung des Bedarfs an Energiespeichern. In der Gesamtbetrachtung ist es wesentlich, die kurzfristigen Kosten gegen die langfristigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Gewinne abzuwägen, um eine fundierte Entscheidung über die Zukunft der Energieversorgung in Hamburg zu treffen.

Fazit

Hamburgs Engagement für eine vollständig nachhaltige Energieversorgung ist ein mutiger und notwendiger Schritt in Richtung Grüne Zukunft, jedoch benötigt die Umsetzung erheblichen Kosten. Während Herausforderungen bestehen, zeigen die umfassenden Studien und Planungen, dass das Ziel technisch erreichbar ist. Hamburgs Beispiel kann und sollte als Inspiration für andere Städte und Regionen dienen, die ähnliche Ziele verfolgen. Die Energiewende ist nicht nur eine technische oder wirtschaftliche Herausforderung, sondern eine Chance für eine nachhaltigere, gerechtere und lebenswertere Zukunft.

Autor: Mohamed Ochi

QUELLEN:


(1) Agora Energiewende (2021). Klimaneutrales Deutschland 2045. Verfügbar unter: https://www.agora-energiewende.de/publikationen/klimaneutrales-deutschland-2045-1 (abgerufen am 04.03.2024)
(2) Frauenhofer ISE (2024). Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2023. Verfügbar unter: https://www.energy-charts.info/downloads/Stromerzeugung_2023.pdf (abgerufen am 11.03.2024)
(3) Stromnetz Hamburg (2024). Energieportal Hamburg. Verfügbar unter: https://www.energieportal-hamburg.de/ (abgerufen am 11.03.2024)
(4) Deutscher Bundestag (2022). Energiespeicher: Überblick zu Technologien, Anwendungsfeldern und Forschung. Verfügbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/930740/0a31b71a40c1f0c6048f156685765eca/WD-5-148-22-pdf-data.pdf (abgerufen am 11.03.2024)
(5) Blum, U., Rosenthal. E., Diekmann, B. (2020). Energie – Grundlagen für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Machbarkeiten, Grenzen und Umweltauswirkungen. Wiesbaden: Springer Vieweg Wiesbaden.
(6) Sterner, M., Stadler, I. (2017). Energiespeicher – Bedarf, Technologien, Integration. Heidelberg: Springer Vieweg Berlin.

Soziale Medien

Follow us

4initia GmbH

Sponsor der FIS Juniorenweltmeisterschaft und Hauptsponsor des Skiverbands Sachsen

Pressekontakt

Torsten Musick
Managing Director

4initia GmbH
Reinhardtstr. 29
10117 Berlin
Germany

p:
+49 (0)30 27 87 807-0
f:
+49 (0)30 27 87 807-50

Weitere Informationen

Für weitere Fragen und Informationen stehen wir unter info@4initia.de gern zur Verfügung